Mein Weg zu mir selbst
- Lisa Reci
- 17. Feb. 2022
- 6 Min. Lesezeit

Kennt ihr das Gefühl, wenn euch euer Leben, regelmäßig in Situationen katapultiert, in denen ihr sofort spürt, dass hier etwas nicht richtig läuft und ihr genau diesen Situationen eigentlich so schnell wie möglich entfliehen solltet. Aber ihr schafft es einfach nicht?
Stattdessen gebt ihr euch eben solchen Situationen hin und schaut zu wie euer Leben an euch vorbeizieht.
Wie es Züge annimmt, die niemals euer Ziel waren.
Genau so, habe ich mich gefühlt. Und zwar 32 Jahre meines Lebens.
Als Kind, war mein Leben geprägt von dem Stress und Chaos meiner Eltern.
Der gesamte Alltag drehte sich um die Arbeit , die keinen von beiden mit Freude erfüllte. Abends wurde über den Arbeitsalltag debattiert oder es wurde sich angeschwiegen weil einer von beiden Mal wieder Wut und Enttäuschungen in sich trug die er oder sie nicht zu verbalisieren wussten.
Natürlich war mir das als Kind in dieser Form nicht bewusst. Ich sah nur die traurigen, wütenden, gestressten und manchmal auch einfach emotionslosen Gesichter und wollte einfach Harmonie. Also versuchte ich schon als Kind mein möglichstes, meine Eltern wieder glücklich zu machen. Ich verhielt mich grundsätzlich so, wie ich dachte, dass sie es gut finden würden. Und so lernte ich sehr früh, meine Bedürnisse zurück zu stellen und mich selbst zu verstellen.
Versteht mich nicht falsch, ich möchte meine Eltern weder schlecht machen, noch verurteile ich sie.
Meine Eltern wollten, so wie meiner Ansicht nach die meisten Eltern auf diesem Planeten, alles richtig machen. Aber sie waren emotional einfach nicht in der Lage. Sie waren zu beschäftigt mit sich selbst, ihren Problemen, dem Arbeits-Stress und den vielseitigen schwierigen Themen innerhalb der Familie. Dazu kommt vermutlich die Tatsache, dass ich nicht geplant war und meine Eltern mit 22 relativ jung. Beide steckten mitten im Studium und mussten plötzlich das Leben mit einem Säugling meistern während sämtliche Freunde das Studentenleben genossen.
Rückblickend kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich die emotionale Unfähigkeit Gefühle und Bedürfnisse zu äußern, Wut und Ärger angemessen loszuwerden und zu kommunizieren und mein Leben so zu gestalten wie ich es mir wünsche zu 100% übernommen habe.
Zuvor war mir das nie bewusst. Denn ich hatte meine Kindheit idealisiert. Und ich war tatsächlich von meinem Idealbild überzeugt. Ich habe es mir selbst geglaubt und vieles einfach verdrängt.
Dass ich jedoch in sämtlichen Zwischenmenschlichen Beziehungen meinen kindlichen Mustern gefolgt bin war mir nicht klar.
Stattdessen habe ich die Schuld für den Verlauf meines bisherigen Lebens gern bei anderen gesucht.
An erster Stelle bei meinem Partner bzw mittlerweile seit 2,5 Jahren Ex-Partner.
Diese Beziehung bin ich mit jungen 13 Jahren (ja ihr lest richtig) eingegangen. Und sie hat so ziemlich alles beinhaltet was ich brauchte um weiterhin meinen gewohnten Mustern folgen zu können.
Da mein Ex-Mann aus einem anderen Kulturkreis stammt, durfte anfangs niemand etwas von der Beziehung wissen, genau genommen 4 Jahre lang nicht. Ich war als deutsche, nicht das was man sich in seiner Familie für den Sohn wünschte.
Ich machte mir also zum Ziel, trotz meiner "falschen" Nationalität, die richtige für meinen damaligen Partner sein zu können, um anerkannt zu werden. Das heißt ich machte es mir zum Ziel, alles zu tun um anderen zu gefallen, es ihnen recht zu machen.
Für das bedienen meiner Muster relativ praktisch, denn so musste ich nicht mal versuchen herauszufinden wer ich eigentlich wirklich bin, was meine Bedürfnisse und Wünsche sind oder was ich im Leben einmal erreichen möchte. Ich musste nicht lernen, was ich bis dahin nicht schon nicht konnte.
Ich musste nicht lernen zu sagen was ich denke, denn ich hatte es mir zum Ziel gemacht weiterhin das zu tun wovon ich dachte, dass es die anderen von mir erwarten.
Damit war ich sehr gut beschäftigt.
Und ich erreichte mein damaliges Ziel. Ich wurde in die Familie aufgenommen und wir durften sogar heiraten.
Zuvor wurde mir mitgeteilt, was eine gute Ehefrau in der betreffenden Kultur alles tun und lassen sollte.
Kein Problem, dachte ich. Kriege ich hin. Was tut man nicht alles für die Liebe. Aber das war weit gefehlt. Es wurde doch zum Problem. Und zwar zu einem, was mich in einen innerlichen Zwiespalt brachte.
Einerseits wollte ich doch weiterhin allen gefallen, nicht negativ auffallen und bloß niemals der Grund für den Unmut anderer sein. Andererseits konnte ich mich mit den kulturellen Anforderungen die an mich gestellt wurden nicht identifizieren. Ich wollte weder bei meinen Schwiegereltern im Haus wohnen, noch wollte ich mich um deren Besuch kümmern. Ich wollte bei Familienbesuchen nicht das Aushängeschild der Familie sein und ich wollte mich nicht mit meiner Schwiegermutter darum streiten wer nun ihrem Sohn das Mittagessen kocht.
Ich hatte nicht vor, jeden meiner Urlaube in der "Heimat" zu verbringen, obwohl es dort tatsächlich wirklich schön war.
Für einige dieser Punkte konnte ich sogar einstehen. Jedoch musste ich meinen Standpunkt regelmäßig erneut vertreten. Er wurde also nicht wirklich akzeptiert, was wirklich kräftezehrend war.
Der innere Konflikt den ich in mir trug, brachte meinen Körper zum brodeln. An manchen Tagen fühlte ich mich wie ein Vulkan vor dem Ausbruch, mir war heiß und kalt gleichzeitig, ich verspürte regelmäßig Druck auf meiner Brust und mein Herz begann aus dem Nichts zu rasen. Aber meine Unfähigkeit offen über meine Anliegen zu sprechen hinderte mich daran das Gespräch zu suchen.
Ich lebte in der Annahme das sei nun mal jetzt mein Leben. Schließlich habe ich es mir genau so ausgesucht.
Mein Ex-Mann ahnte von all dem nichts. Denn ich war eine Meisterin darin den Schein zu wahren.
Im Nachhinein wünschte ich natürlich, ich hätte den Mut dazu gehabt die Beziehung an diesem Punkt zu beenden, denn kein Mensch hat es verdient etwas vorgemacht zu bekommen, selbst dann nicht wenn er auch zu dem Unglück unserer Beziehung beigetragen hat.
Letztendlich dauerte diese Beziehung voller Unzufriedenheit und Unehrlichkeit meinerseits lange 16 Jahre.
16 Jahre die ich und auch mein Ex-Mann besser hätten nutzen können. Allein oder vielleicht mit einem Partner der besser zu uns gepasst hätte. Mittlerweile bin ich trotz all dem Negativen in der Lage, auch die schönen Erlebnisse in der Erinnerung zu behalten und glücklich darüber zu sein dass wir 2 Söhne bekommen haben.
Es war allerdings nicht so, dass nach der Trennung meine "Erleuchtung" kam und ich plötzlich wusste warum mein Leben bis dahin so gelaufen war wie es war.
Natürlich dachte ich, von jetzt an wird automatisch alles besser. Allerdings wollte mein Gehirn dass ich weiter meine diversen Muster bediene.
So hatte ich dann mittlerweile meinen jetzigen Partner kennengelernt. Jemanden der mich tatsächlich so nimmt wie ich bin. Jemand, der keine Anforderungen an mich. Was tue ich also? Ich packe mein Helfersyndrom aus. Denn irgendwas musste ich ja schließlich tun um mich nicht mit mir selbst auseinander setzen zu müssen. Ich war also in meiner neuen Beziehung den lieben langen Tag damit beschäftigt weiterhin perfekt sein zu wollen. Die perfekte Mama trotz Trennung, die perfekte Partnerin usw. Außerdem wurde ich nicht müde meinem Partner Ratschläge zu geben was er denn am besten anders machen könnte. Ich versuchte ihm seine (scheinbaren) Wünsche von den Augen abzulesen und mich in seine Gefühlswelt hineinzudenken.
Kurz gesagt: Ich versuchte seine Gefühle und Bedürfnisse zu leben, bloß nicht meine eigenen.
Das Ganze machte mein Partner relativ lang mit, bis es irgendwann reichte und er mir mein Verhalten inklusive sämtlicher kindlichen Muster vor Augen führte.
Anfangs wusste ich überhaupt nicht, mit Erkenntnissen dieser Art umzugehen, denn bis dahin gab es für mich eindeutig diejenigen, die Schuld am Verlauf meines Lebens waren und ich war dementsprechend das Opfer.
Die Erkenntnis, dass ich sämtliche Zustände zwar unbewusst, jedoch aber eigenständig herbei geführt habe, war erstmal schwer zu ertragen.
Nachdem ich mich jedoch mit dem Thema der kindlichen Muster und dem daraus resultierenden unbewussten Handeln was ich zu 97% meines Lebens an den Tag gelegt habe, beschäftigt habe, wurde mir bewusst, dass allein die Akzeptanz dessen, was man ge-und erlebt hat zum inneren Frieden führen kann.
Ich habe mich von der Opferrolle gelöst und erkannt, dass ich mein Leben bis hierhin nicht anders leben konnte. Seitdem ich das getan habe, konnte ich für mich Frieden schließen mit sämtlichen Menschen die ihren Anteil an meinem Leben hatten. Egal wie negativ diese Anteile vielleicht manchmal waren. Auch diese Menschen konnten es nicht anders, weil auch sie ihre Muster mit sich herumtragen und sich dessen nicht bewusst sind. Viele dieser Menschen sind noch heute, und werden immer gefangen sein in ihren vorgegebenen Ansichten wie das Leben und die Menschen die ihnen darin begegnen zu sein haben. Weil es ihnen so vorgelebt wurde.
Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Reise angekommen, aber es ist wohltuend festzustellen, dass man tatsächlich tief in sich, eigene Wünsche und Bedürfnisse hat, die langsam aber sicher zum Vorschein kommen.Glücklicherweise bin ich erst 32 und mein Leben noch lang genug um herauszufinden wer ich wirklich bin.
Und gleichzeitig, kann ich meinen Kindern dasselbe mit auf ihren Weg geben. Ich möchte ihnen vorleben wie wichtig es ist, die eigenen Bedürfnisse zu äußern, egal wie außergewöhnlich diese vielleicht sein mögen.
Ich möchte, dass meine Kinder lernen ihrem Herzen zu folgen und nicht dem vermeindlichen Verstand, denn der spielt uns gern etwas vor. Ich werde meinen Kindern vermitteln, dass es vollkommen egal ist, was andere von ihrer Person, ihren Gedanken oder Ideen halten. Die einzigen die davon überzeugt sein sollten sind sie selbst.
Ich möchte meinen Kindern einfach all das mit auf ihren Weg geben, was mir definitiv gefehlt hat.
Was sie daraus machen...liegt dann ganz allein bei ihnen selbst....
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